Auf Stülpners Spuren im Zschopautal
24 Vereinsmitglieder des Altenburger Schlossvereins fuhren am Samstag, den 15. Juni 2019, mit dem Reisedienst Zöpel aus Schmölln zur jährlichen Vereinsausfahrt ins Zschopautal. Die Besichtigungen der Burg Scharfenstein und Schloss Wolkenstein standen dabei als Höhepunkte auf dem umfangreichen Tagesprogramm.
Nach einer 100minütigen Busfahrt, die unterwegs immer wieder vom Busfahrer und Firmenchef Dirk Zöpel sehr gut moderiert wurde, war das erste Ziel - der Parkplatz unterhalb der Burg Scharfenstein am Bahnhof - erreicht. Für den steilen Aufstieg zur Burg wurde ein Kleinbus „Taxi-Götze“ engagiert, der einen Teil der Reisegruppe auf die Burg beförderte. Oben angekommen wartete schon Ralph Görner, alias Karl Stülpner, auf die Schlossvereinsmitglieder. Mit seinem unschätzbaren Wissen und den vielen Anekdoten, von seiner über vierzig jährigen Tätigkeit in der Stülpnerforschung, zog der Ralph Görner sofort die Altenburger in seinem Bann. Als erstes lud er sein abgesägtes Schrotgewehr und feuerte von der Terrasse der ehemaligen Burggaststätte einen extrem lauten Schuss in Richtung des an der Zschopau gelegenen kleinen malerischen Ortes Scharfenstein ein. Spätestens jetzt waren alle Einwohner wach. Danach ging es auf eine Führung durch die Räume der schmucken Burganlage, wo ein normaler Besucher so nicht hinkommt. Dabei erzählte Stülpner allerlei Geschichten aus seinem früheren Leben als Wildschütz, der auch oft als „Robin Hood des Erzgebirges“ bezeichnet wurde.
„Als Wilderer in sächsischen und böhmischen Wäldern fand ich viele Sympathisanten unter der Bevölkerung. Es gibt zahlreiche Geschichten, in denen ich den Unterdrückten half und bei meinen Streifzügen Dieben und Räubern das Handwerk legte. Wahrscheinlich ist manches im Laufe der Jahre hinzugedichtet worden. Ich erblickte am 30. September 1762 in Scharfenstein (Mittleres Erzgebirge) das Licht der Welt und wuchs unter den Ärmsten der Armen auf und verlor frühzeitig meinen Vater, so dass ich mich an dessen Stelle um die Familie kümmern musste. Eine große Hungersnot ging in dieser Zeit um. Schließlich musste die Familie das Haus verkaufen. 1772 hielt ich mich beim Förster Müller in Ehrenfriedersdorf auf und jagte anschließend in den Wäldern um Marienberg. 1778 trat ich freiwillig in den Kriegsdienst ein. Danach kehrte ich zu meiner Mutter zurück, verdiente mein Brot durch Gelegenheitsarbeit und begann zu wildern. 1780 verpflichtete ich mich beim Chemnitz Regiment und wurde ein Jahr später zu den Grenadieren nach Zschopau versetzt. Da die Offiziere von meiner Begabung zu wildern wussten, konnte ich hier mit dem Einverständnis meiner Vorgesetzten ungestört wildern. Nach einer Schlägerei mit einem Jägerburschen wurde ich in Chemnitz inhaftiert, wo ich jedoch bei einem Marsch fliehen konnte. Ich floh in die böhmischen Berge und begab mich auf lange Wanderschaft. Nach langer Zeit kehrte ich in meine Heimat zurück, wo man sich jedoch nicht mehr um mich kümmerte. ich wurde Anführer einer Gruppe von Wildschützen und streifte mit ihr durch die großen Reviere des sächsischen und böhmischen Erzgebirges. Man erzählte sich, wie ich gegen Diebe und Räuber einschritt, anmaßende Forstbeamte bestrafte und den Unterdrückten und Hilfesuchenden zur Seite stand. Um mich den eingesetzten Verfolgungen zu entziehen, nahm ich erneut meine Wanderungen auf. Ich nahm 1793 am Interventionskrieg gegen Frankreich teil. Nach Verwundung desertierte ich und wanderte in meine Heimat zurück. Im Jahr 1794 kehrte ich nach Scharfenstein zurück und führte in den folgenden Jahren wieder ein Leben als Wildschütz. Das Vorgehen gegen die Feinde des Volkes machte mich zum Volkshelden - zog aber andererseits wieder Verfolgung nach sich. Nur durch die Unterstützung meiner zahlreichen Anhänger war eine solch langwährende und erfolgreiche Wilderertätigkeit möglich. 1800 gab ich das Wildererdasein auf und schloss mich erneut dem Chemnitzer Regiment an. 1813 kehrte ich nach Scharfenstein zurück, wo ich ein ärmliches Leben führte. Mit 74 Jahren wurde ich noch einmal Vater. Daher hing mir auch der Ruf, ich habe herumgehurt und auf Kosten anderer gelebt, noch lange an, obwohl mir die Verführung eines 24jährigen Mädchens erst viel später nachgewiesen werden konnte. Die letzten zwei Jahre meines Lebens wurde ich krank und halbblind. Karl Stülpner starb am 24. September 1841 in Scharfenstein im Alter von 79 Jahren. Auf dem Friedhof in Großolbersdorf fand er seine letzte Ruhe.“, erklärte Ralph Görner sein „Alias-Stülpner-Leben“.
Nach dem amüsanten und unterhaltsamen Rundgang stieg noch ein Teil der Reisegruppe auf dem Burgfried empor um vom Plateau aus einen wunderschönen Weitblick über das Zschopautal zu genießen. Anschließend ging es weiter nach Wolkenstein, wo in der Erlebnisgaststätte „Zum Grenadier“ schon das Mittagessen wartete. Gegenüber der Gaststätte befindet sich im Schloss Wolkenstein der Eingang zum Museum. Dort begab sich die Reisegruppe nach dem Mittag auf eine weitere Führungsrunde. Der Festsaal und die Fürstenstube mit Wandmalereien und original erhaltenen Holzbalkendecken waren in der 2. Etage der erste Anlaufpunkt. In den Ausstellungsräumen in der 1. Etage des Südflügels wurden Kindheitserinnerungen geweckt. Zahlreiche Exponate informieren über Geschichte von Schloss und Stadt mit seinen Bewohnern. Ein Modell der denkmalgeschützten Innenstadt, die ehemalige Silberkammer im Wohnturm, seltene Exponate erzgebirgischer Holzkunst wie Lichterhäuser, Pyramiden sowie Zeugnisse früher ansässiger Handwerkszünfte wie Schuhmacher und Posamentierer waren zu sehen.
Nach diesem informationsreichen Rundgang ging es mit dem Bus, oder auch zu Fuß auf dem Abstieg an der Schlossmauer entlang, hinunter ins Zschopautal. Dort wartete bereits das abschließende Kaffeetrinken im Wolkensteiner Zughotel auf die Reisegruppe.
Die Geschichte des Wolkensteiner Zughotels begann im Jahre 1991. Damals bestand der Zug aus einem Mitropa-Buffetwagen (Baujahr 1976) und einem ehemaligen Holzlazarettwagen (Baujahr 1928), der als Bar und Rezeption umgebaut wurde. In den Folgejahren kamen zwei Schlafwagen (die heutige 1. Klasse), ein ehemaliger Kulturwagen (dient heute als Küche), ein Salonwagen (das heutige Restaurant mit ca. 60 Sitzplätzen) und ein Rottewagen sowie ein original wieder hergerichteter Schlafwagen Tourex (Baujahr1967 mit heute 12 Betten in der 2. Klasse) hinzu. Dieser gehörte der Gewerkschaft in der ehemaligen DDR (FDGB) und diente den Gewerkschaftern damals für I. Klasse-Auszeichnungsreisen nach Ungarn und Bulgarien. Besonders stolz ist das Zugpersonal auf einen Salonwagen des ehemaligen Regierungszuges der DDR, der im Original erhalten ist und über 12 Schlafplätze und einen Salon verfügt. Nach diesem erlebnisreichen Tag ging es dann um 16:45 Uhr zurück nach Altenburg.
Burg Scharfenstein
Wolkenstein / Erlebnisgaststätte "Zum Grenadier"
Schloss Wolkenstein
Wolkensteiner Zughotel
Samstag - 15. Juni 2019
TAGESABLAUF
8:00 Uhr Abfahrt ab Bahnhof (Zustiege: Theater, Am Anger)
9:40 Uhr Ankunft in Scharfenstein (Bus-Parkplatz am Bahnhof) / Taxi-Fahrt zur Burg
10:00 Uhr Führung Burg Scharfenstein mit Überraschung
11:45 Uhr Fahrt nach Wolkenstein (Bus-Parkplatz auf dem Markt)
12:00 Uhr Mittagessen Schloss Wolkenstein - Erlebnisgaststätte "Zum Grenadier"
14:00 Uhr Führung Schloss Wolkenstein
15:30 Uhr Fahrt zum Wolkensteiner Zughotel
15:45 Uhr Kaffeetrinken im Wolkensteiner Zughotel (Bus-Parkplatz am Bahnhof)
16:45 Uhr Rückfahrt nach Altenburg (Ankunft 18:15 Uhr)
PREIS pro Person
41,50 € (Busfahrt / Führungen Burg Scharfenstein und Schloss Wolkenstein / Kaffeetrinken im Zughotel)
Quelle: Altenburger Schlossverein e.V. - Fotos und Video: privat